HSE - Markt- und Messeplatz

Eine gute Fehlerkultur ist Pflicht


Urheber:in:
suva



«Eine gute Fehlerkultur ist Pflicht» – Warum Sicherheit mehr ist als ein Regelwerk

Teil 2 unseres Roundtables mit drei Sicherheitsprofis aus Bau, Industrie und Forschung

Arbeitssicherheit – das klingt nach Vorschriften, Checklisten und Schutzkleidung. Doch wer in diesem Bereich Verantwortung trägt, weiss: Es geht um viel mehr. Um Menschen, Kommunikation, Vertrauen – und vor allem um eine gelebte Fehlerkultur. In unserem Roundtable sprechen drei Fachpersonen offen über ihren Arbeitsalltag, ihre Strategien im Umgang mit Mitarbeitenden und Führungskräften sowie den Mut, Fehler als Chance zu begreifen.


Der Alltag zwischen Analyse, Audits und Alltagsnähe

Was tun Sicherheitsverantwortliche eigentlich den ganzen Tag?

Für Beat Eggimann, Sicherheitsbeauftragter bei der Volken Group im Wallis, beginnt der Tag früh – meist um sechs Uhr. Der Bau verlangt Präsenz und Flexibilität. Er erstellt derzeit Gefährdungsanalysen für die ISO-Zertifizierung und sucht gezielt das Gespräch mit den Leuten auf der Baustelle.

Gitte Björn von SR Technics wiederum pendelt zwischen Hallenumbau, Schichtabdeckung und kreativen Sicherheitskampagnen. Ihr Ziel: sichtbar sein, ansprechbar bleiben. Und Natascha Schoch bei IBM Research kümmert sich nicht nur um Chemikalien und Notfallorganisation, sondern auch um präventive Aktionen wie Feuerlöschübungen oder Unfallanalysen.

Der rote Faden? Sicherheit passiert nicht nur am Schreibtisch – sondern im direkten Kontakt.


Kommunikation: Zwischen Glacé und Toolbox-Talk

Wie bringt man Sicherheitsdenken dorthin, wo es zählt?

Beat bringt ein Beispiel aus dem Hochsommer: Glacé auf der Baustelle. Klingt banal, ist aber wirksam. Solche Gesten schaffen Nähe und Vertrauen – und erst dieses Vertrauen ermöglicht offene Gespräche.

Gitte setzt auf Kampagnen mit Give-aways, etwa einer ergonomischen Lunchbox oder Wettbewerben zur WM-Zeit. Dahinter steckt System: Aufmerksamkeit schaffen, Gespräche anregen, Sicherheit verankern. Besonders stolz ist sie auf ihre Toolbox-Talks – kurze, fokussierte Schulungen, oft mit emotionaler Beteiligung der Vortragenden.

Natascha wiederum kommuniziert auf Augenhöhe. Sie will nicht belehren, sondern sensibilisieren. Ob neue Chemikalie oder Unfallanalyse: Ihre Rolle ist beratend, nicht kontrollierend.


Sicherheit beginnt oben – bei der Führung

Ohne Rückhalt der Geschäftsleitung geht es nicht. Das wissen alle drei Gesprächspartner:innen.

Gitte trifft sich regelmässig mit dem CEO. Ihre Strategie: Sicherheit in die Sprache der Führung übersetzen – sei es über Reputationsrisiken oder konkrete Kostenrechnungen, etwa bei Gehörschäden durch unzureichenden Schutz.

Beat verankert das Thema in wöchentlichen Bauführungssitzungen als erstes Traktandum. Und Natascha berichtet von einer Geschäftsleitung, die ihr zwar selten Steine in den Weg legt – aber regelmässige Erinnerungen braucht, um Prävention sichtbar zu halten.


Die Teamleitenden: Schlüsselrolle mit Herausforderungen

Teamleitende sind Bindeglied und Bremsklotz zugleich – je nachdem, wie sie mit dem Thema Sicherheit umgehen.

Beat bindet sie über Schulungen ein: Monatsthemen, die sie selbst im Team vermitteln und mit Unterschriften bestätigen müssen. Gitte beschreibt den Spagat vieler Führungskräfte zwischen Leistungsdruck und Kollegialität – gerade bei frisch Beförderten ein Risiko. Natascha betont, wie wichtig klare Regeln sind: Wer keine Sicherheitsschulung durchläuft, bekommt keinen Zugang zum Labor.

Der Tenor: Führung muss Sicherheit vorleben. Und zwar konsequent.


Fehler? Ja – aber bitte ehrlich!

Ein zentrales Thema im zweiten Teil des Gesprächs: die Fehlerkultur.

Gitte bringt es auf den Punkt: In der Aviatik ist eine offene Fehlerkultur gesetzlich vorgeschrieben. Das nennt sich «Just Culture». Fehler sollen gemeldet, nicht vertuscht werden – denn die Konsequenzen können fatal sein.

Natascha beschreibt, wie bei IBM nach einem Vorfall zunächst das Wohl der Betroffenen geklärt wird, bevor Ursachen und Lösungen gesucht werden – ohne Schuldzuweisungen. Und Beat wünscht sich, dass auch im Bau offener über Fehler gesprochen wird, statt sie unter den Teppich zu kehren.

Denn nur wer Fehler sichtbar macht, kann aus ihnen lernen.


Wissen ist keine Einbahnstrasse

Wie bleibt man als Sicherheitsverantwortliche*r auf dem Laufenden?

Alle drei setzen auf Vernetzung. Sei es über regelmässige Treffen mit anderen SiBes, Weiterbildungen oder Fachveranstaltungen. Der Austausch mit anderen bringt nicht nur Ideen, sondern auch Bestätigung – und manchmal kreative Lösungen für alte Probleme.


Fazit: Sicherheit ist ein Gemeinschaftsprojekt

Der Roundtable zeigt eindrücklich: Arbeitssicherheit lebt von Menschen – nicht nur von Regeln. Eine gute Fehlerkultur, kontinuierliche Kommunikation und die Fähigkeit, auf Augenhöhe zu handeln, sind dabei unverzichtbar. Es braucht Mut, um Missstände anzusprechen. Klarheit, um Regeln verständlich zu machen. Und Vertrauen, um gemeinsam besser zu werden.

Denn Sicherheit ist dann am wirksamsten, wenn sie Teil der Unternehmenskultur wird – nicht nur ein Punkt auf der Agenda.


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