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Interne Experten im Arbeitsschutz: Ein ungenutztes Potenzial


Urheber:in:
Haufe Arbeitsschutz



Interne Experten im Arbeitsschutz: Das unterschätzte Potenzial im Unternehmen

Von Carsten Magiera | Experte für Arbeitssicherheit, Arbeits- und Gesundheitsschutz


Der Prophet im eigenen Unternehmen – warum hört niemand auf die Fachkraft für Arbeitssicherheit?

In vielen Betrieben ist es ein bekanntes, aber kaum ausgesprochenes Problem: Interne Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz werden überhört – ihre Warnungen ignoriert, ihre Expertise unterschätzt. Dabei sind sie genau dafür da: auf Gefahren hinweisen, präventiv beraten, Risiken minimieren. Doch wenn der Prophet im eigenen Land nichts gilt, droht der Arbeitsschutz zur Formalie zu verkommen.

Was steckt hinter dieser systematischen Geringschätzung? Zwei psychologische Phänomene geben Aufschluss: der Dunning-Kruger-Effekt und Beratungsresistenz.


Warum gute Ratschläge verpuffen: Ein Blick hinter die Kulissen

Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt eine kognitive Verzerrung, bei der Menschen mit wenig Wissen ein übersteigertes Selbstvertrauen in eben diesem Bereich haben. Wer also nur oberflächliches Wissen über Arbeitsschutz besitzt, hält sich oft trotzdem für ausreichend kompetent – und wiegt sich in falscher Sicherheit. Besonders problematisch wird das, wenn diese Personen Entscheidungen über sicherheitsrelevante Prozesse treffen.

Beratungsresistenz, oft gepaart mit starker Rigidität, macht es internen Fachkräften zusätzlich schwer, durchzudringen. Führungskräfte halten an Gewohntem fest, ignorieren neue Impulse und vermeiden Veränderungen – selbst wenn diese längst notwendig wären.


Fehlendes Vertrauen in interne Kompetenz – ein strukturelles Problem

Die Ursachen liegen nicht nur im Individuum, sondern auch in der Struktur vieler Organisationen:

  • Hierarchie statt Augenhöhe: Arbeitsschutzexperten sitzen häufig nicht „mit am Tisch“, wenn Entscheidungen getroffen werden. Ihre Einschätzungen werden als zweitrangig betrachtet.

  • Externe gelten mehr als Interne: Empfehlungen von Beratungsfirmen oder externen Auditoren werden oft sofort umgesetzt – während interne Hinweise übersehen oder kleingeredet werden.

  • Angst vor Veränderung: Führungskräfte fürchten um Stabilität, wenn Fachkräfte neue Sicherheitsmaßnahmen fordern. Die vermeintliche Kompetenz in bestehenden Abläufen wird dadurch infrage gestellt.

Das Resultat: Der Sicherheitsbeauftragte wird zum „unbequemen Mahner“, statt als Coach, Berater und Partner wahrgenommen zu werden.


Sicherheitskultur stärken – durch Zuhören, Vertrauen und Reflexion

Ein Umdenken ist nötig. Und es beginnt mit der Anerkennung interner Expertise. Führungskräfte, die sich ihrer eigenen Grenzen bewusst sind, schaffen Raum für echtes Lernen und Wachstum – bei sich selbst und im Unternehmen.

Was kann konkret helfen?

1. Empathisch kommunizieren

Konfrontation führt selten zu Einsicht. Stattdessen gilt: Zuhören, verstehen, geduldig begleiten. Kritik wirkt nachhaltiger, wenn sie auf Augenhöhe erfolgt.

2. Coaching statt Belehrung

Wer fragt, anstatt nur zu sagen, fördert Reflexion. Fragen wie „Welche Risiken könnten wir übersehen haben?“ oder „Was würde ein Unfall an dieser Stelle auslösen?“ öffnen Denkprozesse.

3. Position der Sicherheitsfachkräfte stärken

Fachkräfte für Arbeitssicherheit gehören strategisch eingebunden – nicht nur operativ. Ihre Hinweise müssen genauso ernst genommen werden wie Budgetvorgaben oder Prozesskennzahlen.

4. Schulungen für Führungskräfte

Nicht nur Fachwissen zählt. Auch das Verständnis kognitiver Verzerrungen wie dem Dunning-Kruger-Effekt hilft, eigene Denkmuster zu hinterfragen – und anderen wirklich zuzuhören.

5. Kulturwandel fördern

Offene Fehlerkultur, wertschätzendes Feedback und Respekt gegenüber Fachwissen – das sind keine „Soft Skills“, sondern tragende Säulen eines modernen Arbeitsschutzes.


Fazit: Wer intern nicht hinhört, riskiert externen Schaden

Der Spruch „Der Prophet im eigenen Land gilt nichts“ beschreibt ein Risiko, das für Unternehmen teuer werden kann – menschlich, finanziell und kulturell. Interne Sicherheitsfachkräfte bringen nicht nur Wissen mit, sondern oft auch den besten Blick auf die realen Risiken im Betrieb. Wer diese Stimmen ignoriert, verliert nicht nur an Glaubwürdigkeit, sondern setzt auch die eigene Belegschaft unnötigen Gefahren aus.

Es ist Zeit, das Potenzial interner Experten zu erkennen – und zu nutzen. Denn echter Arbeitsschutz beginnt dort, wo wir aufeinander hören.


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