Blitzdiagnose von Bakterien: TUM-Forschende revolutionieren die Erregererkennung
Die Diagnose bakterieller Infektionen steht vor einem entscheidenden Wandel: Forschende der Technischen Universität München (TUM) und des Imperial College London haben eine Methode entwickelt, die den Nachweis gefährlicher Krankheitserreger von mehreren Tagen auf wenige Minuten verkürzt. Diese Innovation könnte nicht nur Leben retten, sondern auch die medizinische Diagnostik grundlegend verändern.
Von der Kultur zur Chemie: Die neue Rolle der Massenspektrometrie
Bisher basierte der Nachweis bakterieller Infektionen auf einem relativ langsamen Verfahren: dem Anlegen von Bakterienkulturen. Erst nach erfolgreicher Vermehrung konnten Krankheitserreger identifiziert und zielgerichtet behandelt werden. Dieser zeitliche Verzug ist oft kritisch – besonders bei schwerwiegenden Infektionen wie Blutvergiftung, Meningitis oder bestimmten Lungenentzündungen.
Das Team um Prof. Nicole Strittmatter, Professorin für Analytische Chemie an der TUM, und Dr. James S. McKenzie vom Imperial College London, verfolgt einen anderen Ansatz: Statt die Erreger selbst nachzuweisen, analysieren sie deren Stoffwechselprodukte mithilfe der Massenspektrometrie. Diese Methode erlaubt es, aus Gewebe- oder Stuhlproben in kürzester Zeit Rückschlüsse auf die bakteriellen Verursacher zu ziehen – ganz ohne vorherige Kultivierung.
Eine Datenbank für die schnelle Spurensuche
Herzstück des neuen Verfahrens ist eine umfangreiche Datenbank, die derzeit 232 medizinisch relevante Bakterienspezies und ihre charakteristischen Stoffwechselprodukte umfasst. Diese sogenannten Biomarker dienen als eindeutige Indikatoren für das Vorhandensein bestimmter Erreger.
Die bisher identifizierbaren Bakterien umfassen einige der bedeutendsten klinischen Problemverursacher – darunter Keime, die Magenkrebs, Gonorrhö, Frühgeburten, Hirnhaut- und Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen auslösen können.
Schnelligkeit als Schlüssel zur personalisierten Medizin
Wei Chen, Doktorandin an der TUM School of Natural Sciences und Erstautorin der Studie, beschreibt den innovativen Ansatz so:
„Wir suchen nicht nach dem Bakterium selbst, sondern nach seinen chemischen Spuren – das spart enorm viel Zeit und macht den Nachweis robuster.“
Prof. Nicole Strittmatter sieht in der Methode einen wichtigen Beitrag zur personalisierten Medizin. Durch den schnellen Nachweis ließen sich Therapien künftig individuell abstimmen, was die Behandlungserfolge deutlich erhöhen könne. Insbesondere bei resistenten Keimen oder schwer zugänglichen Infektionsorten spielt Zeit eine entscheidende Rolle.
Ausblick: Ein Werkzeug für die Klinik der Zukunft
Aktuell arbeiten die Forschenden daran, die Datenbank weiter auszubauen. Mehr als 1400 bakterielle Erreger sind medizinisch bekannt – Ziel ist es, ihre jeweiligen Stoffwechselprofile ebenfalls zu erfassen. Langfristig soll die Methode im Klinikalltag breit verfügbar sein und in Echtzeit genaue Diagnosen ermöglichen.
Diese Entwicklung könnte nicht nur die Infektionsdiagnostik revolutionieren, sondern auch dabei helfen, den Einsatz von Antibiotika zielgerichteter und verantwortungsvoller zu gestalten – ein wichtiger Schritt im Kampf gegen multiresistente Keime.