Seit der Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland fragen sich viele Unternehmen: Was bedeutet das für die Arbeitssicherheit – vor allem in sensiblen Bereichen wie Logistik, Handel oder Transport? Antworten auf diese drängenden Fragen liefert nun ein Forschungsprojekt der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).
Ziel der Studie: Wissenschaftlich fundierte Handlungssicherheit für Betriebe schaffen, die mit möglichen Auswirkungen von Cannabiskonsum ihrer Beschäftigten im Arbeitsalltag umgehen müssen.
Unsicherheit in den Betrieben – Forschungsbedarf erkannt
Ob Gabelstaplerfahrer, Lkw-Fahrer oder Mitarbeitende im Warenumschlag – in Berufen mit hohen Sicherheitsanforderungen sind volle Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit unverzichtbar. Doch bislang war unklar:
✔ Wie wirkt sich THC-Konsum konkret auf die Leistung am Arbeitsplatz aus?
✔ Wie lange kann nach dem Konsum eine Beeinträchtigung bestehen?
✔ Welche Grenzwerte sind realistisch und sicher?
„Die bisherige Forschungslage zu Cannabis im Kontext von Arbeitssicherheit ist lückenhaft“, bestätigt Dr. Klaus Schäfer, Präventionsleiter der BGHW. „Viele Unternehmen sind verunsichert. Unsere Studie soll Klarheit schaffen – für Arbeitgeber und Beschäftigte gleichermaßen.“
Praxisnahe Tests: Gabelstaplerfahrer im Real-Check
Für die Studie wurden reale Bedingungen geschaffen: 32 Probandinnen und Probanden nahmen an aufwendigen Testreihen teil – unter medizinischer und psychologischer Aufsicht. Auf einem eigens vorbereiteten Schulungsgelände in Hessen mussten sie Gabelstapler bedienen, nachdem sie Cannabis konsumiert hatten.
Begleitend wurden Blutanalysen und ärztliche Untersuchungen durchgeführt. Im nächsten Schritt folgen Tests mit Pkw- und Kleintransporterfahrern – ebenfalls unter strengen Sicherheitsvorgaben.
Verkehrsmediziner Dr. Matthias Graw (LMU) erklärt:
„Die Wirkungen von THC sind individuell sehr unterschiedlich – von euphorischer Überreaktion bis hin zu deutlicher Ermüdung. Eine eindeutige Korrelation zwischen Blutwerten und Leistungsfähigkeit lässt sich bislang nicht herstellen. Das zeigt, wie komplex die Einschätzung von Fahrtüchtigkeit oder Arbeitsfähigkeit unter THC-Einfluss ist.“
Breite Unterstützung für das Projekt
Auch innerhalb der Selbstverwaltung der BGHW wird das Vorhaben ausdrücklich begrüßt – von Arbeitgeber- wie von Arbeitnehmervertretern. Denn die Praxis zeigt: Die Unsicherheit in den Betrieben ist groß, Regeln und Orientierung fehlen vielerorts.
Unterstützung kommt zudem vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR), der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) sowie dem ADAC. Die Verbände erwarten von der Studie wertvolle Grundlagen für künftige Empfehlungen, Grenzwerte und betriebliche Regelwerke zum Thema Cannabis und Arbeitssicherheit.
Erste Ergebnisse im Sommer 2025 erwartet
Die Auswertung der aufwendigen Datenerhebung läuft – erste Resultate sollen im Sommer 2025 veröffentlicht werden. Erwartet werden praxisnahe Handlungsempfehlungen, die sowohl der Prävention dienen als auch Sicherheit für Unternehmen und Beschäftigte schaffen.
Fazit: Ein wichtiger Schritt für mehr Klarheit
Die Studie ist ein Meilenstein für den betrieblichen Gesundheitsschutz und die Verkehrssicherheit: Zum ersten Mal wird der Einfluss von Cannabis im Arbeitskontext systematisch und realitätsnah untersucht. Für viele Betriebe – besonders in Logistik und Handel – dürfte dies ein wichtiges Signal sein, um Unsicherheiten zu beseitigen und klare Regeln zu etablieren.
Weitere Informationen und Entwicklungen werden über die BGHW und die DGUV bereitgestellt. Auch die Kampagnen zur Prävention von Drogenkonsum am Arbeitsplatz sollen von den Ergebnissen profitieren.