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Wochenarbeitszeit als neue Maßgabe?


Urheber:in:
Haufe Arbeitsschutz



Arbeitszeit neu gedacht: Von der Tages- zur Wochenarbeitszeit – Was sich bald ändern könnte

Die Arbeitswelt steht vor einer möglichen grundlegenden Änderung: Im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD ist vorgesehen, das Modell der täglichen Höchstarbeitszeit durch eine Wochenarbeitszeit zu ersetzen. Diese Neuregelung könnte die bisherige Praxis der Arbeitszeitgestaltung in Unternehmen spürbar verändern. Doch was bedeutet das konkret für Beschäftigte, Arbeitgeber und den Arbeitsschutz?

Bisher: Die Tagesarbeitszeit als Maßstab

Bislang gilt nach dem deutschen Arbeitszeitgesetz (ArbZG), dass die werktägliche Arbeitszeit grundsätzlich acht Stunden nicht überschreiten darf. In Ausnahmefällen ist eine Verlängerung auf zehn Stunden möglich, sofern diese innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden pro Tag nicht überschreitet (§ 3 ArbZG).

Allerdings können durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen auch schon heute Ausnahmen zugelassen werden – zum Beispiel im Gesundheitswesen, bei Rettungsdiensten oder in der Industrie. Doch immer bleibt die Tagesarbeitszeit der zentrale Bezugsrahmen.

Geplant: Wochenarbeitszeit als neue Bezugsgröße

Zukünftig soll diese „werktägliche“ Betrachtung durch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit ersetzt werden. Die Koalition will damit – im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie – eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung ermöglichen. Das Ziel: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern und individuelle Arbeitszeitmodelle erleichtern.

Das europäische Recht kennt bereits keine täglichen Höchstarbeitszeiten mehr, sondern legt eine Wochenhöchstarbeitszeit von maximal 48 Stunden (inklusive Überstunden) fest – gerechnet im Durchschnitt eines Siebentagezeitraums (Art. 6 RL 2003/88/EG).

Was heißt das für die Praxis?

Die zentrale Frage lautet: Bedeutet die neue Wochenarbeitszeit, dass Arbeitnehmer an einzelnen Tagen beliebig lange arbeiten dürfen?

Ganz so weit geht es nicht. Auch weiterhin gelten Vorgaben aus dem EU-Recht, die eine durchgehende Belastung der Beschäftigten verhindern:

  • Mindestruhezeit: Nach jedem Arbeitstag muss eine Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden gewährleistet sein (Art. 3 RL 2003/88/EG).

  • Ruhepausen: Bei mehr als sechs Stunden Arbeitszeit sind angemessene Ruhepausen vorgeschrieben. In Deutschland beträgt diese mindestens 45 Minuten bei einer Arbeitszeit über neun Stunden (§ 4 ArbZG).

Rechnerisch wäre somit eine maximale tägliche Arbeitszeit von etwa 12 Stunden und 15 Minuten möglich – vorausgesetzt, die Ruhezeiten und Pausen werden korrekt eingehalten.

Chancen und Herausforderungen

Chancen:

  • Unternehmen könnten flexibler auf betriebliche Anforderungen reagieren.

  • Beschäftigte hätten mehr Freiheit bei der Einteilung ihrer Arbeitszeit – z. B. für geblockte Arbeitstage oder längere Freizeitphasen.

Herausforderungen:

  • Erhöhte Selbstverantwortung und Eigenorganisation der Beschäftigten.

  • Erforderliche Anpassungen bei Arbeitszeitkontrollen und im Arbeitsschutz.

  • Risiko von Überlastung, wenn Ruhezeiten nicht konsequent überwacht werden.

Besonders in belastenden Branchen – etwa im Gesundheitswesen oder in der Produktion – bleiben Sozialpartner und Tarifverträge gefragt, um die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen.

Fazit: Flexibilisierung mit Augenmaß erforderlich

Die Umstellung auf eine Wochenarbeitszeit eröffnet Chancen für moderne, flexible Arbeitszeitmodelle – birgt aber auch Risiken für die Belastbarkeit der Beschäftigten. Für Unternehmen bedeutet dies: Sie müssen künftig noch stärker darauf achten, dass Arbeitszeiten fair, gesund und gesetzeskonform gestaltet werden.

Es bleibt spannend, wie der Gesetzgeber diese Neuregelung konkret ausgestaltet – und wie Betriebe und Beschäftigte die neuen Freiräume nutzen.



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