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Umgang mit krankheitsbedingten Fehlzeiten


Urheber:in:
Haufe Arbeitsschutz



Die Zahl krankheitsbedingter Fehlzeiten erreicht seit 2022 neue Höchststände – insbesondere durch Atemwegserkrankungen, psychische Belastungen und altersbedingte gesundheitliche Einschränkungen. Doch wie können Unternehmen darauf reagieren, ohne Misstrauen zu säen oder den Druck auf Mitarbeitende zu erhöhen?

Im Interview mit der Haufe Online Redaktion gibt Oliver Walle, Experte für Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, einen praxisnahen Einblick.


Krankenstand: Seit Jahren ein zentrales Thema in Unternehmen

„Die Diskussion um hohe Krankenstände begleitet Unternehmen seit Jahrzehnten“, erklärt Oliver Walle. Für Personalabteilungen und Führungskräfte ist der Umgang mit Ausfällen eine tägliche Herausforderung: Wer übernimmt die Arbeit, wenn Kolleginnen und Kollegen krank sind? Und wie stark belasten die Ausfälle den Betrieb finanziell durch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall?

Besonders kritisch wird es bei der Frage: Wann ist ein Krankenstand „normal“, wann ist er zu hoch? Einfache Antworten gibt es darauf nicht – zu individuell sind die Einflussfaktoren, zu groß die Spannweite zwischen Branchen und Altersgruppen.


Ursachen: Von Atemwegserkrankungen bis zum Alter der Beschäftigten

Laut Walle sind die Gründe für hohe Fehlzeiten vielfältig:

Atemwegserkrankungen wie Erkältungen oder Grippe führen seit der Pandemie deutlich die Statistiken an.
Belastungen des Muskel-Skelett-Systems (Rücken, Gelenke) und psychische Erkrankungen folgen dicht dahinter.
✔ Beschäftigte ab 50 Jahren fehlen nachweislich häufiger – insbesondere in körperlich fordernden oder stressreichen Berufen sowie bei Nacht- und Schichtarbeit.

Fazit: Die demografische Entwicklung trifft die Unternehmen bereits heute spürbar.


Motivationsbedingte Fehlzeiten – ein unterschätzter Faktor?

Ein besonders sensibles Thema ist die Frage nach „motivationsbedingten“ Krankmeldungen – also dem Fernbleiben trotz eigentlich ausreichender Gesundheit.

Walle betont: Dies sei kaum messbar, allenfalls über anonymisierte Befragungen oder persönliche Mitarbeitergespräche ansatzweise einschätzbar. Entscheidend sei hier die Rolle der Führungskraft:

✔ Regelmäßiger Kontakt zum Team.
✔ Sensibilität für auffällige Muster im Fehlzeitenverhalten.
✔ Das professionelle, empathische Gespräch bei Verdachtsmomenten – ohne Pauschalverdacht oder Druck.

„Führung bedeutet hier vor allem Vertrauen, Zuhören und das Angebot zur Lösung – keine Kontrolle um der Kontrolle willen“, so Walle.


Welche Maßnahmen helfen wirklich gegen hohe Fehlzeiten?

Neben der Analyse der Fehlzeitenursachen setzt modernes BGM vor allem auf diese Stellschrauben:

  1. Verbesserung der Arbeitsbedingungen: Ergonomische Arbeitsplätze, gesunde Schichtpläne, mobile Arbeitsoptionen.

  2. Stärkung der Unternehmenskultur: Wertschätzung, psychologische Sicherheit und eine offene Kommunikationskultur senken krankheitsbedingte Fehlzeiten messbar.

  3. Schulung der Führungskräfte: Sensibilisierung für Gesundheitsthemen, Gesprächsführung bei Verdachtsfällen, Motivation durch Vorbildfunktion.

  4. Gezielte Gesundheitsangebote: Rückenschulen, Resilienztrainings, Check-ups und Impfaktionen.

  5. Einbindung des Betriebsarztes und externer BGM-Partner: Professionelle Unterstützung bei Prävention und Maßnahmenentwicklung.


Fazit: Vertrauen, Kultur und Prävention zahlen sich langfristig aus

Hohe Krankenstände sind kein Schicksal, sondern auch das Ergebnis der Unternehmensrealität: Arbeitsbelastung, Führung, Betriebsklima und Gesundheitsangebote entscheiden mit über Fehlzeitenquoten.

Ein Karenztag oder härtere Regeln allein, so die Einschätzung vieler BGM-Experten, lösen das Problem kaum nachhaltig. Was zählt, sind gesunde Rahmenbedingungen, eine moderne Führungskultur – und das Vertrauen in die Mitarbeitenden.

Nur so lässt sich der Spagat schaffen: Leistungsfähigkeit des Unternehmens sichern und gleichzeitig die Gesundheit der Beschäftigten langfristig stärken.


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