Bisher: Pflicht zur anlassunabhängigen Beurteilung aller Tätigkeiten
Seit 2018 galt: Arbeitgeber mussten im Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) für alle Tätigkeiten im Betrieb anlassunabhängig auch mögliche Gefährdungen für schwangere und stillende Frauen prüfen – unabhängig davon, ob aktuell überhaupt Frauen in diesen Zuständen im Unternehmen beschäftigt sind.
Diese vorausschauende Pflicht diente dazu, frühzeitig mögliche Risiken für Mutter und Kind zu erkennen und präventive Maßnahmen zu planen. Bei Missachtung drohten Ordnungswidrigkeiten.
Neu ab 2025: Ausnahmen bei festgelegten Tätigkeiten
Mit Inkrafttreten des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BGBl. 2024 I Nr. 323) ist diese Vorgabe gelockert worden. Arbeitgeber dürfen künftig auf eine anlassunabhängige Gefährdungsbeurteilung verzichten, wenn:
✔ Der Ausschuss für Mutterschutz (AfMu) eine verbindliche Regel veröffentlicht hat,
✔ und diese Regel bestimmte Tätigkeiten oder Arbeitsbedingungen definiert,
✔ die für schwangere oder stillende Frauen generell unzulässig sind.
In diesen Fällen ist keine eigene Beurteilung mehr notwendig – die Tätigkeit gilt kraft Regelung bereits als „unverantwortbare Gefährdung“.
Wichtig: Bisher (Stand Januar 2025) gibt es allerdings noch keine veröffentlichten Regeln dieser Art. Arbeitgeber können sich derzeit also noch nicht auf diese neue Erleichterung berufen.
Dokumentationspflicht bleibt bestehen
Unabhängig von der Neuregelung müssen Arbeitgeber weiterhin dokumentieren:
✔ dass sie eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt haben oder,
✔ dass eine Regel des AfMu vorliegt, die die Tätigkeit bereits als unzulässig einstuft.
Eine saubere Dokumentation ist entscheidend, um im Falle von Kontrollen oder Haftungsfragen auf der sicheren Seite zu sein.
Auch bei Mitteilung der Schwangerschaft: Beurteilung notwendig
Bleibt eine Arbeitnehmerin schwanger oder stillend, muss der Arbeitgeber nach wie vor eine individuelle (anlassbezogene) Gefährdungsbeurteilung vornehmen und entsprechende Schutzmaßnahmen festlegen (§ 10 Abs. 2 MuSchG). Diese Verpflichtung entfällt nicht – unabhängig von der neuen Ausnahme für die anlassunabhängige Beurteilung.
Echte Entlastung – oder doch nicht?
Ob die Neuregelung den erwarteten bürokratischen Nutzen bringt, bleibt fraglich. Denn:
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Ohne vorliegende MuSchR-Regel muss die anlassunabhängige Gefährdungsbeurteilung weiterhin vollumfänglich durchgeführt werden.
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Auch bei künftigen Regelungen des AfMu müssen Arbeitgeber prüfen, ob ihre Tätigkeiten exakt unter die definierte Kategorie fallen – was faktisch wieder einer Beurteilung gleichkommt.
Zudem bleiben europäische Vorgaben (Richtlinie 92/85/EWG) bestehen, die in bestimmten Fällen keine Abweichungen von der Gefährdungsbeurteilung zulassen.
Fazit: Erleichterung mit Einschränkungen
Die Gesetzesänderung eröffnet theoretisch die Möglichkeit, in bestimmten Fällen den Aufwand für Gefährdungsbeurteilungen im Mutterschutz zu reduzieren. In der Praxis bedeutet dies derzeit noch keine spürbare Entlastung, da entsprechende Regeln des AfMu fehlen und individuelle Prüfpflichten weiter bestehen.
Für Arbeitgeber heißt das:
✔ Aktuelle Gefährdungsbeurteilungen weiter durchführen,
✔ künftige Veröffentlichungen des AfMu im Blick behalten,
✔ individuelle Schutzmaßnahmen bei bekannt gewordener Schwangerschaft wie bisher festlegen.