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Burnout bei „Interaktionsarbeit“: Welche Berufe sind besonders betroffen?


Urheber:in:
Haufe Arbeitsschutz



Burnout durch Interaktionsarbeit – Wenn Nähe zur Belastung wird

In vielen Berufen ist der direkte Kontakt zu Menschen ein zentraler Bestandteil des Arbeitsalltags. Ob im Kindergarten, in der Arztpraxis oder in der Bankfiliale – überall dort, wo Interaktionsarbeit geleistet wird, entstehen emotionale, organisatorische und kommunikative Anforderungen. Doch wie sehr belasten diese Anforderungen die Psyche der Beschäftigten? Eine neue Studie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg gibt überraschende Antworten.


Interaktionsarbeit ist nicht gleich Interaktionsarbeit

Der Begriff „Interaktionsarbeit“ umfasst Tätigkeiten, bei denen Beschäftigte regelmäßig mit anderen Menschen – etwa Kunden, Patienten oder Kindern – in Kontakt stehen. Dabei gibt es große Unterschiede: Während Bankangestellte vor allem administrative Aufgaben und sachliche Gespräche führen, sind Erzieherinnen und Arzthelferinnen häufig mit emotional aufgeladenen Situationen konfrontiert. Sie leisten sogenannte dialogisch-interaktive Interaktionsarbeit – also eine Form, die über reine Kommunikation hinausgeht und emotionale Anteilnahme erfordert.

Gerade deshalb vermutete das Forscherteam aus Magdeburg zu Beginn der Untersuchung: Berufe mit hoher emotionaler Beanspruchung müssten auch stärkere psychische Belastungen mit sich bringen. Doch die Ergebnisse waren differenzierter.


Drei Berufe im Vergleich

Untersucht wurden 309 Frauen aus drei Berufsgruppen: Erzieherinnen, medizinische Fachangestellte (Arzthelferinnen) und Bankkauffrauen. Die Belastungen wurden anhand berufsspezifischer Prüflisten erfasst. Die Ergebnisse zeigen klare Unterschiede in den Belastungsquellen – aber keine signifikanten Unterschiede in der Gesamtbelastung:

Erzieherinnen berichteten besonders häufig über:

  • Überforderung durch zu viele Aufgaben (95,8 %)

  • Lärm in Gruppenräumen (95,2 %)

  • Zu große Gruppen und fehlende Zeit für einzelne Kinder

  • Stimmliche Belastung und hoher Zeitdruck

Arzthelferinnen nannten:

  • Hohe Patientenzahl (97,7 %)

  • Wachsende Dokumentationspflichten

  • Geringe Bezahlung

  • Schwierigkeiten im Umgang mit Patientenerwartungen

Bankangestellte litten vor allem unter:

  • Komplexer Datenpflege und zunehmender Digitalisierung

  • Mangelhafter interner Kommunikation

  • „Druck von oben“ und Zielvorgaben


Überraschung: Keine signifikanten Unterschiede bei der Gesamtbelastung

Trotz der unterschiedlichen Arbeitsinhalte war das Ausmaß der psychischen Belastung über alle Gruppen hinweg ähnlich. In allen drei Berufsgruppen zeigte fast jede fünfte Teilnehmerin eine beeinträchtigte psychische Gesundheit. Das legt nahe: Nicht nur emotionale Anforderungen führen zu Stress, sondern auch strukturelle Bedingungen wie Zeitdruck, unklare Kommunikation oder mangelnde Wertschätzung.

Nur in einem Punkt zeigten sich signifikante Unterschiede: Erzieherinnen bewerteten ihre Leistungsfähigkeit im Job im Durchschnitt etwas niedriger – wohl wegen der intensiven und langfristigen sozialen Bindungen zu den Kindern, die emotional fordernder sind als kurzfristige Patientenkontakte oder Banktermine.


Psychische Belastung hat viele Gesichter

Was also treibt die Belastung in den einzelnen Berufen?

  • Im sozialen Bereich sind es emotionale Nähe, Lärm, Überforderung und fehlende Ressourcen.

  • Im medizinischen Bereich dominiert die Kombination aus hoher Taktung, Dokumentationspflichten und schwierigen Patientenerwartungen.

  • Im Bankenbereich wirken vor allem interne Faktoren belastend – hier geht es weniger um die Kundschaft als um Hierarchien, Zielvorgaben und einen Mangel an Gestaltungsspielraum.

Gerade die Ergebnisse aus dem Bankensektor zeigen: Auch scheinbar „emotionale Distanz“ schützt nicht vor psychischer Belastung. Der gefühlte Kontrollverlust über die eigene Arbeit, etwa durch Zielvorgaben oder schlechte Kommunikation, kann genauso zermürbend sein wie ständige emotionale Anforderungen.


Fazit: Burnout-Risiko nicht nur eine Frage der Branche

Die Magdeburger Studie macht deutlich: Psychische Belastungen entstehen nicht nur durch die Nähe zu Menschen, sondern vor allem durch Rahmenbedingungen, Arbeitsorganisation und fehlende Ressourcen. Die viel zitierte Interaktionsarbeit allein ist nicht der alleinige Auslöser von Burnout – entscheidend ist, wie diese Arbeit gestaltet wird.

Was es braucht, sind gezielte Maßnahmen zur Entlastung in allen Bereichen – sei es durch bessere Personalschlüssel im Kita-Alltag, eine effizientere Organisation in Arztpraxen oder flachere Hierarchien und transparente Kommunikation in Dienstleistungsunternehmen.

Denn eines ist klar: Wer dauerhaft überfordert ist, verliert nicht nur Motivation – sondern riskiert auf Dauer seine psychische Gesundheit.



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